Planimeter

Planimeter sind mechanische Instrumente zur Bestimmung von Flächeninhalten auf Landkarten und Zeichnungen. Bei den integrierenden Planimetern erfolgt die Messung, indem man mit dem Fahrstift die Randlinien der Fläche einmal umfährt. Der Flächeninhalt wird dabei durch ein Messrad aufintegriert und kann anschliessend an einem Zählwerk abgelesen werden. Bis zur Erfindung dieser Planimeter anfangs des 19. Jahrhunderts standen lediglich sogenannte nichtintegrierende Planimeter zur Verfügung. Bei diesen handelt es sich im Wesentlichen um Hilfsmittel für das Zerlegen einer Figur in einfache Formen sowie deren Ausmessen und Zählen.

Taxonomie der Planimeter

Taxonomie der nichtintegrierenden und der integrierenden Planimeter

Die nebenstehende Abbildung zeigt eine Einteilung der nichtintegrierenden und der integrierenden Planimeter aufgrund ihrer Funktionsweise. Nichtintegrierende Planimeter werden je nach der Art der Zerlegung der auszumessenden Figur in Netzplanimeter, Streifenplanimeter oder Dreiecksplanimeter eingeteilt. Bei den integrierenden Planimetern dienen die Konstruktion (Orthogonalplanimeter, Polarplanimeter bzw. Lineraplanimeter) sowie das verwendeten Messprinzip (Rad, Kegel, Scheibe) als Kriterien für die Einteilung. Die Felder der Tabelle enthalten die von den verschiedenen Herstellern verwendeten Bezeichnungen für die jeweiligen Planimeter.

Nichtintegrierende Planimeter

Das Prinzip der nichtintegrierenden Planimeter beruht darauf, dass die auszumessende Figur in einzelne Teilstücke zerlegt wird, deren Fläche einfach bestimmt bzw. angenähert werde kann. Die Summer der einzelnen Teilflächen ergibt dann die Fläche der gesamten Figur. Meist handelt es sich bei den Teilstücken um Dreiecke oder Rechtecke.

Harfenplanimeter

Hyperbel

Unterteilung in Streifen

Hyperbel

Harfenplanimeter

Harfenplanimeter (auch Faden- oder Haarplanimeter) bestanden ursprünglich aus einem rechteckigen Metallrahmen, in den Fäden parallel und mit gleichem Abstand eingespannt waren. Später wurden Harfenplanimeter in Form von geätzten Glastafeln verwendet (siehe nebenstehende Abbildung).

Legt man das Harfenplanimeter über die zu messende Fläche, so wird diese in lange schmale Streifen zerlegt. Die Fläche jedes Streifens ergibt sich näherungsweise durch durch Multiplikation der mittlere Länge mit der Streifenbreite. Da alle Streifen gleich breit sind, genügt es, alle mittleren Längen, z.B. mit einem Stechzirkel, zu messen und zu adieren. Anschliessend kann man die Summe mit der Streifenbreite multiplizieren, um die gesucht Fläche zu bestimmen. Je feiner die Streifen sind, desto genauer ist die Approximation der gesuchten Fläche. Allerdings steigt damit auch der Arbeitsaufwand.

Hyperbeltafel

Hyperbel

Flächengleiche Rechtecke

Hyperbel

Flächengleiche Dreiecke

Hyperbeln haben die Eigenschaft, dass alle Rechtecke, die mit drei Ecken auf den Koordinatenachsen liegen und deren vierte Ecke sich auf derselben Hyperbel befindet, dieselbe Fläche aufweisen. Dementsprechend haben auch alle Dreiecke dieselbe Fläche, deren eine Seite parallel zu einer der Koordinaten­achsen ist und die je eine Ecke auf den beiden Koordinatenachsen sowie eine Ecke auf der Hyperbel haben.

Hyperbel

Hyperbeltafel

Hyperbeltafeln sind transparente Glastafeln, welche mit einer Schar von Hyperbeln bedruckt sind. Auf den Tafeln sind die Hyperbeln mit der entsprechenden Dreiecksfläche beschriftet. Solche Tafeln waren für unterschiedliche Kartenmassstäbe erhältlich.

Um eine unregel­mässige Fläche auszumessen, muss diese so in Dreiecke zerlegt werden, dass diese die ursprüngliche Fläche möglichst gut annähern. Wird nun die Hyperbeltafel in der oben beschriebenen Weise auf ein solches Dreieck gelegt, so kann dessen Fläche direkt auf der Tafel abgelesen werden. Dies muss für alle Dreiecke der zu messenden Fläche wiederholt werden. Die Summe der Dreiecksflächen ist dann ein Näherungswert für die gesuchte Fläche.

Hyperbeltafeln eignen sich besonders für Messungen auf Katasterplänen, da Grundstücke meist durch gerade Linien begrenzt sind und sich deshalb leicht in Dreiecke zerlegen lassen.

Integrierende Planimeter

Die integrierenden Planimeter (Umfahrungsplanimeter) waren die ersten Planimeter, welche theoretisch in der Lage waren, die Fläche einer beliebigen ebenen Figur durch Umfahren exakt zu bestimmen. Bei den Orthogonalplanimetern, den ersten integrierenden Planimetern, war die Verwendung von Kegeln oder Scheiben, auf denen ein Reibrad abrollt, das zentrale Integrationselement. Erst mit Jakob Amslers Polarplanimeter war es möglich, das Messrad direkt auf dem Zeichenblatt abrollen zu lassen, was zu einer erheblichen Vereinfachung der Konstruktion führte. Scheiben und Kugelflächen wurde aber weiterhin zur Realisierung von Präzisionsplanimetern verwendet, da auf diesen eine viel genauere Gleit- und Rollbewegungen des Messrades möglich war als auf Zeichen- oder Kartenblätter, welche oft uneben, zerknittert oder gefaltet waren.

Orthogonalplanimeter

Wetli Planimeter

Orthogonal-Planimeter von Kaspar Wetli (ca. 1860)

Die frühen integrierenden Planimeter, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahr­hunderts entwickelt wurden, waren Orthogonal­planimeter. Diese orientieren sich an einem kartesischen Koordinaten­system, wobei die Bewegung des Fahrstiftes in zwei senkrecht zueinander stehende Anteile zerlegt wird, welche sich beide auf den Antrieb des Messrades auswirken. Beim Planimeter von Kaspar Wetli (1822-1889) verschiebt der eine Anteil das Messrad radial auf der rotierenden Scheibe, während der andere Anteil für die Drehung der Scheibe verantwortlich ist. Beides beeinflusst die Rotations­geschwindigkeit des Messrades. Die Anzahl der Umdrehungen des Messrades ist proportional zur gemessenen Fläche. Andere Ortho­go­nal­planimeter (z.B. von Johann Hermann oder Johannes Oppikofer) verwendeten anstelle der rotierenden Scheibe einen rotierenden Kegel. Die Funktionsweise von Orthogonalplanimetern ist verhältnismässig leicht verständlich, da sie die Idee von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) bzw. Berhard Riemann (1826-1866), welche den Flächeninhalt als Grenzwert der Summe vieler schmaler Rechtecke darstellen, direkt umsetzen. Mit solchen Orthogonalplanimetern waren durchaus gute Resultate mit Fehlern von wenigen Promille zu erzielen. Ihr grosser Nachteil lag darin, dass sie relativ unhandlich und teuer waren.

Polarplanimeter

Amsler Planimeter

Polarplanimeter von Jakob Amsler (ca. 1856)

Im Jahre 1856 veröffentlicht Jakob Amsler seine Erfindung des Polarplanimeters. Das Instrument besteht aus zwei mit einem Gelenk verbundenen Stäben, dem Polarm und dem Fahrarm. Das eine Ende des Mechanismus, der Pol, ist mit einer feinen Nadel versehen und bleibt während der Messung fest an einer geeigneten Stelle auf der Zeichnung. Mit dem anderen Ende, an welchem sich eine Spitze befindet, wird die Kontur der zu messenden Fläche abgefahren. Dabei wird die umfahrene Fläche mit Hilfe des Messwerkes aufsummiert. Dieses besteht aus dem Messrad mit Nonius-Ablesung und einem Umdrehungszähler. Die Differenz der Ablesung vor und nach der Messung ist proportional zur umfahrenen Fläche. Durch Multiplikation mit einem Faktor ergibt sich die tatsächliche Fläche, z.B. in Quadratmillimeter. Über eine Veränderung der Länge des Fahrarms kann das Planimeter zudem an verschiedene Kartenmassstäbe angepasst werden. Grundsätzlich kann der Pol beliebig ausserhalb oder innerhalb der zu messenden Figur positioniert werden, wobei er so liegen muss, dass die Figur komplett umfahren werden kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Funktion des Polarplanimeters mathematisch zu beweisen, z.B. über die Guldinsche Regel oder Green's Theorem. Für Details wird auf die entsprechende Literatur verwiesen.

Die Bestimmung der Fläche von Figuren auf Zeichnungen und Plänen war sowohl in der Kartographie als auch im Maschinen- oder Schiffbau eine wichtige Aufgabe. In der Messtechnik wurden Planimeter zur Auswertung von Messdiagrammen eingesetzt, um beispielsweise den Stromverbrauch oder die Wasserdurchflussmenge einer Maschine für einen bestimmten Zeitraum zu bestimmen. Bei der Einstellung von Dampmaschinen diente das Planimeter zum Ausmessen der Druck-Weg-Diagramme (Indikatordiagramme).

Die Vorteile des Polarplanimeters waren der günstige Preis, die geringe Grösse und die einfache Bedienung. Amslers Planimeter wurde ab etwa 1856 kommerziell vertrieben und verdrängte alle früheren Planimeterkonstruktionen innert weniger Jahre.

Kompensations-Polarplanimeter

Coradi Kompensations-Polarplanimeter

Kompensations-Polarplanimeter von Gottlieb Coradi (ca. 1895)

Ungefähr im Jahre 1893 verbesserte Gottlieb Coradi seine Polarplanimeter, welche bis anhin dem Amsler'schen Polarplanimeter sehr ähnlich waren, dadurch, dass sich der Polarm sowohl links wie rechts des Fahrarms positionieren liess. Messfehler, welche durch mechanische Ungenauigkeiten bedingt sind, tragen so entweder mit positivem oder mit negativem Vorzeichen zum gesamten Messergebnis bei. Misst man die gesuchte Fläche nun mit beiden Planimeter­stellungen und bestimmt den Mittelwert der beiden Resultate, so lässt sich der Fehler, der aufgrund von Konstruktions­ungenauig­keiten entsteht, deutlich reduzieren. Gottlieb Coradi liess diese Konstruktionsneuheit in verschiedenen Ländern patentieren.

Linearplanimeter

Linearplanimeter wurden entwickelt, um auch grössere Figuren, zum Beispiel Diagramme von registrierenden Messinstrumenten, in einem einzigen Arbeitsschritt zu vermessen. Beim Linearplanimeter bewegt sich das hintere Ende des Fahrstabes nicht, wie beim Polarplanimeter, auf einem Kreis sondern auf einer Geraden, was gegenüber dem Polarplanimeter in einer Richtung einen grösseren Arbeitsbereich ermöglicht. Die lineare Bewegung erfolgt bei Jakob Amsler mittels einer Schiene, auf der sich ein Wagen bewegt, an welchem der Fahrarm des Planimeters mit dem Messwerk befestigt ist. Beim Linearplanimeter von Gottlieb Coradi wird das gesamte Planimeter auf zwei Rädern über die Zeichnung gezogen.

Eine andere Form des Linearplanimeters stellt das Schlittenplanimeter von Simens & Halske dar, welches aus einer Einspannvorrichtung für Registrier­papiere sowie dem Fahrarm eines Polarplanimeters besteht. Beim Ausmessen von Kurven wird dabei die Linear­bewegung durch Umspulen des Registrier­papiers erzeugt, während gleichzeitig mit der Spitze des Planimeterarmes dem Verlauf der Kurve gefolgt wird. Mit diesem Planimeter lassen sich fast beliebig lange Diagramme auswerten.

Scheiben- und Kugelplanimeter

Das Ziel bei der Entwicklung von neuen Planimetern lag darin, die Genauigkeit der Messungen weiter zu steigern. Mit Scheiben- und Kugelplanimetern wird die Qualität der Messresultate insbesondere bei schlechter Messunterlage wie gefalteten oder abgegriffenen Karten und Plänen dadurch verbessert, dass das Messrad nicht auf der Kartenoberfläche selbst, sondern auf einer Hilfsoberfläche, d.h. einer Scheibe oder Kugel, abrollt. Dabei versetzt eine Rotation des Fahrstifts um den Planimeterpol die Scheibe oder Kugel in Drehung, während eine radiale Bewegung den Abstand des Messrades von der Rotationsachse der Scheibe bzw. Kugelfläche verändert.

Amsler Scheibenplanimeter

Antrieb des Messrades über eine Scheibe (Amsler)

Coradi Kugelplanimeter

Antrieb des Messrades über Kugelfläche (Coradi)

Sowohl Jakob Amsler wie auch Gottlieb Coradi haben Scheiben- bzw. Kugel­planimeter hergestellt. Bei den Scheibenplanimetern erfolgt der Antrieb des Messrades über eine mit Papier überzogenen Scheibe. Bei Amsler überträgt ein Kegelrad, welches auf der Unterlage rollt, die Bewegung auf die Achse der Papierscheibe.Beim Kugelplanimeter von Coradi wird eine Kugelfläche über eine Mikro­verzahnung auf dem Aussenrand der grossen Polscheibe angetrieben.

Verschiedene Bauformen für Planimeter mit Scheiben- oder Kugelantrieb:

Referenzen

[1]

S. Stampfer

Ueber das neue Planimeter des Kaspar Wetli. In: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematisch naturwissenschaftliche Classe, Jahrg. 1850, II. Heft (Februar). Wien (1850).

[2]

C. M. Bauernfeind

Die Planimeter von Ernst, Wetli und Hansen, welche den Flächeninhalt ebener Figuren durch das Umfahren des Umfangs angeben. München (1853).

[3]

J. Amsler

Ueber die mechanische Bestimmung des Flächeninhalts, der statischen Momente und der Trägheitsmomente ebener Figuren insbesondere über einen neuen Planimeter. Abgedruckt aus der Vierteljahresschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Schaffhausen (1856).

[4]

E. Schinz

Über das Polar Planimeter von Prof. Amsler in Schaffhausen. Vorgetragen den 28. November 1857. Separatabdruck aus den Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern. Bern (1857).

[5]

F.J. Bramwell

On Amsler's Planimeter. In: Report of the British Association for the Advancement of Science (1872), S. 401-412.

[6]

F. Klein

Ueber Scheiben-Planimeter. Separatabdruck aus der Wochenschrift Nr. 5, 6 und 7 des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines. Wien (1884).

[7]

J. Y. Wheatley

The Polar Planimeter and its Use in Engineering Calculations together with Tables, Diagrams and Factors. Keuffel & Esser Co. New York (1903).

[8]

G. Coradi

Polarplanimeter. Patent Nr. CH 7303. Eidgenössisches Amt für geistiges Eigtentum (1893).

[9]

O. Lang

Der Compensations-Polarplanimeter von G. Coradi in Zürich. Zeitschrift für Vermessungswesen, Band 23/1894, Seiten 353-367. Separat-Abdruck, Verlag des technischen Versandgeschäfts R. Reiss. Liebenwerda (1894).

[10]

A. Amsler

Das Planimeter und seine Erfindung. Zeitschrift des Vereins Schweizer. Konkordatsgeometer, Band 5/1907, Heft 7/8, Seiten 117-122/125-132. Winterthur (1907).