Hommel-Esser Aarau
Ludwig Esser
Ludwig Esser wurde am 20. Mai 1772 in Weissenburg an der Lauter im Elsass als jüngstes von acht Kindern geboren. Er kam schon früh zu einem älteren Bruder, der in Strassburg eine Werkstatt für die Herstellung mechanischer und physikalischer Instrumente betrieb. Dort hatte er die Gelegenheit, den Beruf des Zirkelschmieds zu erlernen. Gleichzeitig eignete er sich im Selbststudium weitere Kenntnisse in Mechanik und Physik an, welche für die Fabrikation wissenschaftlicher Instrumente notwendig waren.
Während der französischen Revolution gelangte er 1798 als Kompaniechef der Artillerie in die Schweiz, wo er nach einer Verwundung in Aarau die Reparatur eines grossen Wagenparks leitete. Bei dieser Gelegenheit traf er auf den Aarauer Industriellen Johann Rudolf Meyer (1739-1813), der ihn dazu bewegen konnte, seinen Dienst zu quittieren und sich in Aarau als Mechaniker niederzulassen. Dies geschah im Jahre 1801.
Die endgültige Übersiedelung von Strassburg nach Aarau erfolgte dann 1803. Anfangs galt sein Hauptinteresse der Herstellung von Präzisionswaagen (hydrostatische Waagen). Auch vereinfachte er die unübersichtlichen Gewichtsmasse, die damals in der Textilindustrie vorherrschten, betrieb eine inoffizielle Eichstätte und stellte selbst ganze Sätze von Garngewichten her. Seine Haupteinnahmequelle waren jedoch Reisszeuge, welche er sowohl an Wiederverkäufer als auch direkt an Schulen verkaufte. Ab 1816 verkaufte er diese auch in einem eigenen Laden, den er seiner Werkstatt angliederte. Zudem begann er, für Schüler und Handwerker eine separate Kategorie preisgünstiger Reisszeuge herzustellen. Damit reagierte er auf die Konkurrenz durch billige Nachahmerprodukte. Nicht zuletzt wegen seiner Kontakte zu Händlern, Mechanikern und Hochschulen im In- und Ausland erlangte er Geltung als Hersteller hochwertiger Reisszeuge und feinmechanischer Instrumente.
Essers Geschäftserfolg übertrug sich auch auf die Stadt Aarau, welche bald den Ruf als Herstellungsort qualitativ hochwertiger mathematischer und physikalischer Instrumente besass. Dank der Zugkraft des Namens Aarau konnten sich auch zwei Lehrlinge Essers, Jakob Kern und Friedrich Gysi, in Aarau rasch selbständig machen. Am 20. März 1811 wurde Ludwig Esser von der Stadt Aarau das Bürgerrecht verliehen. Am 6. Oktober 1826 starb Ludwig Esser im Alter von 54 Jahren. Essers Werkstatt wurde nach dessen Tod von seinem Schwiegersohn Friedrich Hommel-Esser weitergeführt. Der Betrieb existierte unter diesem Namen bis anfangs des 20. Jahrhunderts.
Friedrich Hommel-Esser
Friedrich Hommel wurde im Jahre 1803 geboren. Sein Vater Johannes Hommel von Memmingen war Buchhalter bei Rudolf Meyer in Aarau. Während seiner Lehrjahre arbeitete Friedrich Hommel unter anderem bei Friedrich Eccard in Karlsruhe, Traugott Leberecht Ertel in München sowie Ludwig Esser in Aarau. Dort lernte er auch Ludwig Essers Tochter Sophie kennen. Als dieser im Jahre 1826 starb, heiratete er Sophie Esser und übernahm im Alter von 23 Jahren die Werkstatt seines Schwiegervaters, welche er zuerst unter dessen Namen, später unter eigenem Namen weiterführte. Nach dem Tod Friedrich Hommel-Essers im Jahre 1867 wurde die Werkstatt von dessen Sohn August Hommel (1830-1904) weitergeführt. Die Reisszeuge wurden bis zum Tod von August Hommel unter der Bezeichnung Hommel-Esser verkauft.
F. Rohr-Bircher
Nach dem Tod von August Hommel im Jahre 1904 übernahm Fritz Rohr-Bircher die Reisszeugfabrik und führte die Geschäfte in kleinerem Rahmen in Rohr, einer Nachbargemeinde von Aarau, weiter. Dabei wurde das Unternehmen in F. Rohr-Bircher umbenannt. Das Unternehmen warb zukünftig, wie z.B. in einem Inserat in der Schweizerischen Bauzeitung von 1910, mit der Bezeichnung Hommel-Esser's Nachfolger.
Zu Beginn verkaufte die Firma F. Rohr-Bircher Instrumente unter dem neuen Namen, die noch von Hommel-Esser hergestellt worden waren. Das Unternehmen betrieb aber auch eine eigene Fabrikation mit einem umfassenden Sortiment an Reisszeugen und Einzelinstrumenten, wie aus Katalogen der 20er und 30er Jahre ersichtlich ist. Später bot die Firma auch Reisszeuge von Kern an. Im Adressbuch von 1924 wird das Unternehmen als Reisszeugfabrik aufgeführt. Ebenfalls erwähnt wird es 1927 im nordwestschweizerischen Handels- und Gewerbeadressbuch. 1940 wird die Firma F. Rohr-Bircher im Handelsregister gelöscht. Noch bis 1945 inserierte Rohr-Bircher in Fachzeitschriften und warb für die Herstellung und Reparatur von Reisszeugen. Vermutlich wurde die Geschäftstätigkeit Mitte der 40er Jahren ganz eingestellt.
Jahrestafel
1772 |
Ludwig Esser (1772 - 1826) wird am 20. Mai in Weissenburg a. d. Lauter im Elsass geboren. Seine Lehre absolviert er bei einem älteren Bruder, welcher in Strassburg eine Werkstatt zur Fabrikation mechanischer und physikalischer Instrumente betreibt. |
1801 |
Als Kompaniechef der Artillerie rückt er mit den französischen Truppen in die Schweiz ein, wo er in der Schlacht um Zürich verwundet und in der Folge dienstfrei wird. Der Seidenfabrikant Johann Rudolf Meyer bewegt ihn, sich in Aarau niederzulassen und eine Werkstätte für die Zirkelfabrikation zu eröffnen. |
1803 |
Ludwig Essers siedelt definitiv von Strassburg nach Aarau über. |
1803 |
Geburt von Friedrich Hommel. |
1805 |
Jakob Kern, der seit 1799 als Pflegekind bei Johann Rudolf Meyer lebt, beginnt eine vierjährige Lehre in der Werkstatt Ludwig Essers. |
1811 |
Ludwig Esser erhält das Aarauer Bürgerrecht. |
1816 |
Ludwig Esser eröffnet einen Laden, in welchem er seine Erzeugnisse direkt verkauft. |
1826 |
Tod von Ludwig Esser. Die Werkstatt wird von dessen Schwiegersohn Friedrich Hommel-Esser noch mindestens zehn Jahre unter dem Namen L. Esser Arau weitergeführt. Erst später verwendet Friedrich Hommel-Esser seinen eigenen Namen. |
1867 |
Tod von Friedrich Hommel-Esser. Das Geschäft wird von dessen Sohn August Hommel unter demselben Namen weitergeführt. |
1904 |
Tod von August Hommel. Fritz Rohr-Bircher übernimmt die Reisszeugfabrik und führt die Geschäfte am neuen Standort in Rohr, einer Nachbargemeinde von Aarau, in kleinerem Rahmen und unter eigenem Namen weiter. |
1924 |
Das Unternehmen wird im Adressbuch von 1924 sowie im nordwestschweizerischen Handels- und Gewerbeadressbuch von 1927 aufgegeführt. |
1945 |
Vermutlich wird die Geschäftstätigkeit um 1945 eingestellt. |