Kern & Co. Aarau

Jakob Kern

Jakob Kern

Jakob Kern (1790-1867)

Jakob Kern wurde am 17. August 1790 in Berlingen im Kanton Thurgau geboren. Er war das einzige Kind aus der zweiten Ehe seines Vaters Leonhard Kern (1763-1792). Da dieser bereits mit 29 Jahren starb, kehrte seine Mutter mit Jakob in ihre frühere Heimat nach Mollis zurück, wo sie erneut heiratete. Jakob blieb für einige Jahre bei seinen Grosseltern.

Nach der Besetzung der Schweiz durch die französische Armee war das Elend, besonders in den Bergkantonen, gross. In der Folge kam Jakob Kern 1799 mit neun Jahren als Halbwaise zum Aarauer Industriellen Hans Rudolf Meyer (1739-1813), welcher ihm eine Ausbildung an einer Privatschule (der späteren Kantonsschule in Aarau) ermöglichte. Meyer war es auch, der 1802 den Elsässer Zirkelschmied Ludwig Esser dazu bewog, nach Aarau zu ziehen und eine mechanische Werkstätte zu eröffnen. Hier begann Jakob Kern 1805 eine vierjährige Lehre als Zirkelschmied. Auf der anschliessenden mehrjährigen Wanderschaft arbeitete er unter anderem in München für den Physiker Fraunhofer sowie in Bern für die Gebrüder Schenk.

1819 kehrte Jakob Kern nach Aarau zurück, wo er eine mechanische Werkstätte an der Laurenzenvorstadt eröffnete. Zu Beginn stellte er vor allem Reisszeuge her. Dank seiner vielseitigen Ausbildung machte er sich jedoch bald auch einen Namen als Hersteller von qualitativ hochwertigen Vermessungsinstrumenten. Diese wurden damals für die Schweizerische Landesvermessung unter dem späteren General Dufour sowie ab den 1840er Jahren für den Einsenbahnbau benötigt.

Kern Fabrikgebäude Ziegelrain Aarau

Farbrikgebäude am Ziegelrain in Aarau (ca. 1895)

Der Absatz von Vermessungs­in­stru­men­ten nahm laufend zu, zuerst in der Schweiz, später auch in den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien. 1848 wurde Jakob Kern an der schweizerischen Gewerbe- und Industrieaustellung, 1851 an der Weltausstellung in London für seine Produkte ausgezeichnet. Da gleichzeitig mit dem wachsenden Bedarf an Vermessungs­in­stru­men­ten auch der Verkauf von Reisszeugen stetig anstieg, nahm die Anzahl der Mitarbeiter bis 1857 auf über vierzig zu. Jakob Kern kaufte deshalb 1856 ein Grundstück am Ziegelrain in Aarau für den Bau einer neuen Fabrik. Diese wurde 1857 bezogen und die Produktion auf Fabrikbetrieb umgestellt. Für den Antrieb der Maschinen wurde das Wasser das Aarauer Stadtbachs genutzt. Mit dem Umzug an den neuen Standort traten auch Jakob Kerns Söhne Adolf und Emil als Teilhaber in die Firma ein.

Jakob Kern zog sich 1863 aus dem Geschäft zurück. Vier Jahre später, am 4. Februar 1867, starb er im Alter von 73 Jahren.

Kern & Cie.

Adolf Kern

Adolf Kern
(1826 - 1896)

Emil Kern

Emil Kern
(1830 - 1898)

Heinrich Kern

Heinrich Kern
(1857 - 1934)

Mit dem Bezug der neuen Fabrik im Jahre 1857 traten auch Jakob Kerns Söhne Adolf und Emil als Teilhaber in die Firma ein. Adolf über­nahm die Leitung des Bereichs Reiss­zeuge, Emil denjenigen der Ver­mes­sungs­in­stru­mente. 1885 zog sich Adolf Kern aus dem Geschäft zurück und übergab seine Stelle seinem Sohn Heinrich. Gleichzeitig wurde die Firma, den geltenden Vorschriften entsprechend, in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Fortan wurde die Bezeichnung Kern & Cie. bzw. Kern & Co. verwendet. Nachdem 1897 auch Emil aus der Firma ausschied, war Heinrich alleiniger Leiter der Firma Kern. Wegen des stetigen Wachstums kaufte die Firma Kern im Verlauf der Jahre mehrere Gebäude am Ziegelrain dazu. 1893 wurden diese abgerissen und durch einen Erweiterungsbau ersetzt. Dabei wurden der elektrische Antrieb und die elektrische Beleuchtung eingeführt.

Kern Fabrikanlage Schachen Aarau

Fabrikanlage Schachen (1944)

Zur Vergrösserung der Kapitalbasis wurde die Firma Kern 1914 in eine Aktien­ge­sell­schaft Kern & Co. AG umgewandelt. Heinrich Kern wurde Präsident und Delegierter des Verwaltungs­rates. Da am Ziegelrain keine weitere Vergrösserung des Firmen­areals mehr möglich war, wurde an der Schachen­allee ein Neubau errichtet, welcher 1920 bezogen wurde.Mit dem Bezug des neuen Fabrikgebäudes begann Kern mit der eigenen Entwicklung und Produktion optischer Komponenten und Systeme. Unter anderem wurden Objektive für Foto- und Schmal­film­kameras hergestellt, so für die von Paillard produzierten Bolex-Kameras. Nach der Welt­wirtschafts­krise in den zwanziger Jahren, welche auch die Firma Kern hart traf und zu einem Stellen­abbau auf unter 100 Angestellte führte, verbesserte sich die Auftragslage in den dreissiger Jahren wieder zusehends. Die Aufrüstung der Schweizer Armee ab 1936 sowie der Ausbruch des zweiten Weltkrieges sorgten für weitere Aufträge.

Heinrich Wild

Heinrich Wild (1877 - 1951)

Jahr Beschäftigte
1819 4
1856 42
1874 148
1923 96
1937 194
1946 ca. 600
1963 1300
1976 906
1991 520

Anzahl Beschäftigte der Firma Kern

Heinrich Wild, der 1932 wegen Meinungsverschiedenheiten aus seinem Unternehmen, der Firma Wild Heerbrugg, ausgetreten war, vereinbarte 1935 mit der Firma Kern einen Zusammenarbeitsvertrag. Wild brachte bei Kern als Erfinder und Konstrukteur neuen Schwung in die Entwicklung von Vermessungs­in­stru­menten. So konnte Kern in den folgenden Jahren zahlreiche Geräte auf den Markt bringen, welche auf Wilds Ideen beruhten. Heinrich Wild starb 1951.

Ende der 30er Jahre und während des zweiten Weltkrieges wurde die Produktion bei Kern massgeblich durch die Bedürfnisse der Schweizer Armee bestimmt, während der Export stark zurückging. So wurden damals vor allem Feldstecher, Ziel- und Beobachtungsfernrohre, aber auch militärische Spezialinstrumente hergestellt. In diese Zeit fiel auch die Entwicklung neuer Kino-Objektive für die Paillard SA in Ste. Croix im Schweizer Jura. Der Personalbestand stieg bis Kriegsende auf ungefähr 550 an.

Kern Fabrikanlage Schachen Aarau

Fabrikanlage Schachen (1969)

Nach dem Krieg expandierte Kern weiter und es wurden zusätzlich Fabrik- und Verwaltungsgebäude im Schachen in Aarau sowie eine neue Reisszeugfabrik in Buchs bei Aarau erstellt. Über die Hälfte des Umsatzes wurde zu der Zeit mit Vermessungs­instrumenten erzielt. Den höchsten Personalbestand erreichte die Firma Kern 1963 mit 1300 Mitarbeitern.

Bis in die 70er Jahre konnte die Firma Kern auf dem Markt für Vermessingsinstrumente dank qualitativ hochwertiger Produkte und der Erschliessung neuer Einsatzgebiete ihre starke Position behaupten. Eine zögerliche Haltung bei der Einführung neuer Methoden sowie der modernisierung der Produktion und der Straffung der Produktepalette brachte Kern jedoch zusehends in finanzielle Schwierigkeiten. Hinzu kamen Meinungsverschiedeneheiten mit dem Vertreter der Familie Kern in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Redimensionierung und Entlassungen waren unausweichlich. So wurde die unrentabel gewordene Reisszeug-Fabrikation 1987 eingestellt, da Kern beim Umstieg auf modernen Zeichensysteme wie Tuschefüller qualitativ nicht mit der Konkurrenz mithalten konnte. 1988 wird die Firma Kern vom Wild Leitz Konzern übernommen. 1990 wird sie in Leica Aarau umbenannt, aber bereits ein Jahr später 1991 geschlossen.

Jahrestafel

1790

Jakob Kern (1790 - 1863) wird am 17. August 1790 in Berlingen Kt. Thurgau geboren. Sein Vater Leonhad Kern (1763 - 1792) stirbt schon mit 29 Jahren. Jakob Kern wächst im Glarnerland, zuerst bei seiner Mutter, später bei seinen Grosseltern, auf.

1799

Als neunjähriger Waisenknabe wird Jakob Kern vom Industriellen Johann Rudolf Meyer in Aarau aufgenommen. Er wird in dessen Familie erzogen und erhält eine gute Schulbildung.

1805

Jakob Kern beginnt eine vierjährige Lehre beim Aarauer Zirkelschmied Ludwig Esser. Anschliessend begibt er sich auf eine zehnjährige Wanderschaft und Ausbildung bei den bekanntesten Instrumentenherstellern jener Zeit, so vor allem bei Reichenbach und Fraunhofer in München sowie den Gebrüdern Schenk in Bern.

1819

Jakob Kern eröffnet seine mechanische Werkstätte an der Laurenzenvorstadt in Aarau, wo er vor allem Reisszeuge und bald auch physikalische und topographische Instrumente herstellt.

1835

General Dufour kauft einen zwölfzölligen Theodoliten für die Schweizer Landesvermessung. Das Instrument wird mit höchstem Lob ausgezeichnet.

1840

Jakob Kern wird ins Aarauer Bürgerrecht aufgenommen.

1848

An der Landesausstellung in Bern, an der Weltausstellung 1851 in London und nachher an vielen nationalen und internationalen Ausstellungen werden Kern-Instrumente mit höchsten Auszeichnungen geehrt.

1857

Bau einer neuen Fabrik am Ziegelrain in Aarau. Jakob Kerns Söhne Adolf (1826 - 1896) und Emil (1830 - 1898) werden Teilhaber der Firma.

1863

Jakob Kern zieht sich aus dem Geschäft zurück. Er stirbt vier Jahr später im Alter von 73 Jahren.

1885

Heinrich Kern (1857 - 1934) rückt anstelle seines Vaters Adolf in 3. Generation als Teilhaber nach.

1885

Gründung der Kommanditgesellschaft Kern & Cie.

1914

Die Kommanditgesellschaft wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Heinrich Kern wird Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates der Kern & Cie. AG.

1920

Die Firma Kern bezieht ein neu erstelltes Fabrikgebäude im Schachen in Aarau. Dieses beherbergt unter anderem die neue Produktion optischer Systeme.

1932

Neu werden bei Kern verchromte Reisszeuge hergestellt.

1940

Während der Generalmobilmachung wird der Betrieb zeitweise dem Militärregime unterstellt. Während des 2. Weltkrieges werden Armeefeldstecher, Grabenfernrohre, Beobachtungsfernrohr, Aufnahmegerät für Geschossflugzeitmessung, Gewehrzielfernrohr, Zielfernrohre, Flabkanonen und Reflexvisiere für Flugzeuge hergestellt.

1987

Die Herstellung von Reisszeugen wird aufgegeben

1991

1988 wird die Firma Kern vom Wild Leitz Konzern übernommen. 1990 wird sie in Leica Aarau umbenannt, aber bereits ein Jahr später 1991 geschlossen.

Referenzen

[1]

Adress-Buch der Stadt Aarau

Die Aarauer Reisszeuge und geodätischen Instrumente. In: Adress-Buch der Stadt Aarau (1896), S. 196-206.

[2]

Kern & Co. AG

120 Jahre Kern Aarau 1819-1939. Aarau (1939).

[3]

A. Lüthi et. al.

Geschichte der Stadt Aarau. Aarau/Frankfurt 1978.

[4]

P. Vogel

Jakob Kern 1790–1867. In: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 33. Verein für Wirtschaftshistorische Studien, Zürich (1980).

[5]

P. Vogel

Das Lebenswerk Jakob Kerns. 160 Jahre Kern Aarau. In: Aarauer Neujahrsblätter 54/2. Aarau (1980).

[6]

H. Aeschlimann

Kern und Co. AG Aarau. Werke für Feinmechanik, Optik und Elektronik. Industriekultur im Kanton Aargau 46. Schweizerische Gesellschaft für Technikgeschichte und Industriekultur (2005).

[7]

F. Haas

Kern-Geschichten. Aarau (2012).